Medikamente sicher einnehmen

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Eine Patientin hat zur Behandlung ihres Diabetes zwei verschiedene Insuline zum Spritzen: eines, das ihren Basisbedarf deckt und langsam über den ganzen Tag wirkt und eines, das sie sich zu den Mahlzeiten spritzt und schnell den Blutzucker senkt. Sie will sich morgens ihren Tagesbedarf an Insulin spritzen. Die Patientin sieht schlecht und greift versehentlich das andere, schnellwirkende Insulin vom Nachttisch. Erst als ihr Blutzucker bei der Kontrolle sehr niedrig ist, fällt die Verwechslung auf.

Das hier beschriebene Beispiel hat sich genauso in einem Berliner Krankenhaus zugetragen. Es zeigt, was Sie vielleicht aus Ihrer eigenen Erfahrung kennen: Medikamente nach Vorschrift einzunehmen, ist oft nicht einfach. Mit diesem Problem sind Sie nicht allein: Man schätzt, dass etwa jeder Zweite seine dauerhaft verordneten Arzneimittel nicht richtig einnimmt. Die korrekte Einnahme von Medikamenten ist für eine erfolgreiche Behandlung aber wichtig. In dieser Information erfahren Sie, wie Sie Arzneimittel sicher anwenden können.

Auf einen Blick

Für eine erfolgreiche Behandlung ist es wichtig, Medikamente zuverlässig und wie ärztlich verordnet anzuwenden. Einige Hürden können dies erschweren, etwa Stress, mehrere Arzneimittel gleichzeitig, Wechsel eines Wirkstoffs, unverständliche Anwendungshinweise oder Nebenwirkungen. Sie können die Einnahme Ihrer Medikamente verbessern. Das Wichtigste ist: Reden Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt.

Schwierigkeiten bei der Einnahme

Es gibt zahlreiche Gründe, weshalb Arzneimittel nicht richtig angewendet werden:  

  • Die Hektik des Alltags oder einfach Vergesslichkeit können zur unregelmäßigen Einnahme führen.  
  • Wer viele Medikamente anwendet, verliert schneller den Überblick. Etwa jeder Dritte über 65 Jahre erhält vier oder mehr Arzneimittel.   
  • Arzneimittel haben oft Packungsbeilagen mit sehr vielen Informationen. Nicht jeder versteht, wie das Medikament richtig eingenommen wird.  
  • Besonders ältere Menschen haben Probleme mit ihren Augen oder Händen, was die fachgerechte Einnahme zusätzlich behindert.  
  • Manche sind verunsichert, wenn sie in der Apotheke nicht ihr bisher gewohntes Medikament erhalten. Es kann sein, dass der gleiche Wirkstoff eines Arzneimittels anders verpackt ist, anders heißt oder sich in Form und Farbe unterscheidet. 
  • Jedes Arzneimittel kann unerwünschte Wirkungen haben. Manchmal verändern Menschen dann selbst die Dosis oder setzen das Medikament ab, ohne dies mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt zu besprechen. 
  • Auch nicht verordnete Mittel, die man ohne Rezept in der Apotheke oder der Drogerie erhält, können Nebenwirkungen haben. 
  • Verschiedene Wirkstoffe können sich gegenseitig beeinflussen. Manchmal reagieren auch Lebensmittel mit Medikamenten. Zum Beispiel wirken einige Antibiotika schwächer, wenn man sie mit Milch einnimmt.
  • Menschen, die keine Beschwerden verspüren, fällt es oft schwer, ihre Medikamente dauerhaft zu nehmen, etwa bei Bluthochdruck.  

Studien zeigen, dass die nicht korrekte Einnahme von Medikamenten zu einer erhöhten Zahl von Krankenhausaufnahmen führt.

Was Sie selbst tun können

Sie können viel dazu beitragen, Ihre Arzneimittel richtig anzuwenden. Diese Tipps sollen Ihnen dabei helfen:  

  • Eine Ärztin oder ein Arzt sollte Ihr Hauptansprechpartner bei allen Fragen zu Arzneimitteln sein, zum Beispiel Ihre Hausärztin oder Ihr Hausarzt.  
  • Lassen Sie sich in Ruhe erklären, wie Sie die Medikamente nehmen sollen. Fragen Sie nach, wenn Sie etwas nicht verstanden haben. Und lassen Sie sich die Informationen schriftlich mitgeben. 
  • Bitten Sie Ihre Ärztin oder Ihren Arzt um einen sogenannten Medikationsplan. Im Medikationsplan sollten alle verordneten und selbst gekauften Arzneimittel stehen. Lassen Sie diesen in der Apotheke daher um freiverkäufliche Medikamente ergänzen. Denken Sie nicht nur an Tabletten, sondern zum Beispiel auch an Sprays, Tropfen oder Salben. Auch pflanzliche Mittel, Vitamine und so weiter gehören dazu.
  • Tragen Sie den Medikationsplan immer bei sich. Legen Sie ihn bei jedem Arztbesuch, in der Apotheke oder im Krankenhaus vor.  
  • Geben Sie Bescheid, wenn Sie Ängste oder Probleme bei der Einnahme Ihrer Medikamente haben, zum Beispiel wenn Ihnen das Schlucken von Tabletten schwer fällt.  
  • Fragen Sie ruhig nach, ob Sie wirklich noch alle Medikamente brauchen. Studien zeigen: Je weniger Tabletten jemand nehmen muss, umso besser klappt die Behandlung. Setzen Sie aber kein Medikament ohne ärztliche Rücksprache ab. 
  • Haben Sie kompliziert anzuwendende Arzneimittel oder dauerhafte Erkrankungen, fragen Sie nach, ob es spezielle Schulungen hierzu gibt.  
  • Sagen Sie auch, wenn bei einer Behandlung mit einem Arzneimittel Beschwerden auftreten.  
  • Halten Sie sich daran, wenn Ihre Medikamente für eine bestimmte Uhrzeit vorgesehen sind. Bei manchen Medikamenten ist es wichtig, sie vor, während oder nach einer Mahlzeit einzunehmen.  
  • Binden Sie die Einnahme in Ihre tägliche Routine ein. Sie können Ihre Medikamente zum Beispiel immer vor dem Zähneputzen nehmen oder immer abends zur Tagesschau.  
  • Lassen Sie sich erinnern: Stellen Sie sich einen Wecker oder Ihr Mobiltelefon. Oder bitten Sie Angehörige, Sie auf Ihre Medikamenteneinnahme hinzuweisen. Auch Merkzettel, etwa am Spiegel oder Kühlschrank, können helfen.

Hilfsmittel für die Anwendung

Hilfsmittel erleichtern die Arzneimittelanwendung und sind oft nicht teuer.  

Bei Problemen mit Ihren Händen, etwa bei versteiften Fingergelenken, kommen zum Beispiel in Frage:  

  • Tablettenausdrücker  
  • Tablettenteiler  
  • Verschlussöffner für Medikamentenflaschen  
  • Dosierhilfen für Augentropfen

Sehschwachen Menschen können helfen:  

  • Lupen, etwa Skalenlupen für Insulinspritzen  
  • Applikationshilfen zum Einträufeln von Augentropfen  

Bei Vergesslichkeit und zur besseren Übersicht eignen sich: 

  • Medikamentendosierer mit Tages- oder Wochenunterteilungen, bei denen Sie sehen, ob Sie eine Dosis schon eingenommen haben.  
  • Eine Medikamentenliste (Medikationsplan), in dem alle Arzneimittel, die Sie anwenden, aufgeführt sind.
Juni 2019, herausgegeben von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung

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Methodik

Die Informationen beruhen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen anhand einer systematischen Literaturrecherche und auf einem Fallbericht aus dem Fehlerberichts- und Lernsystem Netzwerk CIRS-Berlin.

Verwendete Quellen

Literatur zum Fallbeispiel

  • Netzwerk CIRS Berlin. Sehbehinderter Patient verwechselt Insulinpens. 2011. www.cirs-berlin.de

Fachliteratur

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  • Wu JY, Leung WY, Chang S, Lee B, Zee B, Tong PC, Chan JC. Effectiveness of telephone counselling by a pharmacist in reducing mortality in patients receiving polypharmacy: randomised controlled trial. BMJ 2006;333(7567):522. www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16916809

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