Patientenleitlinie: Diabetes und Augen
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Schäden an der Netzhaut feststellen

Verursacht der Diabetes Schäden an der Netzhaut, bleiben diese zunächst oft unbemerkt: Sie haben keine Schmerzen und auch Ihr Sehvermögen ist häufig nicht gestört. Es gibt aber Hinweise, dass sich Schäden an der Netzhaut in früheren Stadien erfolgreicher behandeln lassen. Deshalb empfiehlt die Leitlinie regelmäßige Kontrolluntersuchungen der Augen. So sollen mögliche Veränderungen der Netzhaut frühzeitig erkannt und eine Behandlung, falls notwendig, rechtzeitig eingeleitet werden.

Wie häufig die Augen untersuchen? 

In welchen Abständen die Augenärztin oder der Augenarzt Kontrolluntersuchungen durchführen soll, hängt von Ihrer Vorgeschichte, Ihren persönlichen Risikofaktoren (siehe "Risikofaktoren") und möglicherweise auftretenden Beschwerden ab.

Nach Meinung der Experten gelten dabei folgende Empfehlungen:

  • Die erste Kontrolluntersuchung der Augen soll erfolgen, direkt nachdem bei Ihnen Typ-2-Diabetes festgestellt wurde.

  • Bei Menschen mit Typ-1-Diabetes soll diese Untersuchung erstmals im Alter von elf Jahren oder nach fünf Jahren Krankheitsdauer durchgeführt werden.

Wenn der Augenarzt oder die Augenärztin keine Veränderung der Netzhaut feststellt, soll in folgenden Abständen kontrolliert werden:

  • alle zwei Jahre, wenn ein geringes Risiko für Schäden an der Netzhaut bekannt ist;

  • jährlich, wenn ein erhöhtes Risiko für Schäden an der Netzhaut bekannt ist, oder wenn der Ärztin oder dem Arzt die Risikofaktoren nicht bekannt sind.

Ist die Netzhaut bereits geschädigt, soll der Augenarzt oder die Augenärztin gemeinsam mit Ihnen entscheiden, ob er oder sie jährlich oder in kürzeren Abständen kontrolliert.

Stellen sich bei Ihnen Sehbeschwerden ein, soll die Augenärztin oder der Augenarzt möglichst sofort untersuchen.

Welche Risikofaktoren sind bei der Einschätzung wichtig? 

Ihr Hausarzt, Ihre Hausärztin beziehungsweise Ihr Diabetologe oder Ihre Diabetologin schätzt Ihr allgemeines Risiko ein, im Verlauf der Krankheit Schäden an der Netzhaut zu bekommen. Dazu erfasst er oder sie 

  • die Diabetesdauer (Grenzwert für erhöhtes Risiko: mehr als zehn Jahre); 

  • den Blutzuckerlangzeitwert (HbA1c-Grenzwert für erhöhtes Risiko: mehr als 7,5); 

  • den Blutdruck (Grenzwert für erhöhtes Risiko: 140/85); 

  • bereits bestehende Schäden an Blutgefäßen, besonders in der Niere.  

Die Grenzwerte besagen nicht, dass Sie unbedingt ein erhöhtes Risiko haben, wenn bei Ihnen ein Wert ein bisschen höher ist. Die Ärztin oder der Arzt betrachtet alle Faktoren zusammen und schätzt danach ab, wie hoch Ihr Risiko ist. 

Ihre Augenärztin oder Ihr Augenarzt beurteilt bei der ersten und bei allen weiteren Untersuchungen, ob bereits Schäden an der Netzhaut vorhanden sind. Auch dann besteht ein erhöhtes Risiko für fortschreitende Komplikationen an den Augen.

Ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte sollen nach Meinung der Experten besondere Dokumentationsbögen benutzen, um sich gegenseitig ihre Untersuchungsergebnisse mitzuteilen. Es gibt spezielle Bögen für die hausärztliche/diabetologische Praxis und für die augenärztliche Praxis. Sie selbst sollten sich jeweils eine Kopie dieser Dokumentation aushändigen lassen und zum nächsten Arztbesuch mitnehmen. 

Sie finden diese Bögen hier oder in der ärztlichen Leitlinie: www.leitlinien.de/nvl/diabetes/netzhautkomplikationen.

Was bringt die regelmäßige Kontrolle der Augen? 

Regelmäßige Kontrollen sollen bei Menschen mit Diabetes Veränderungen der Netzhaut so rechtzeitig aufdecken, dass eine Behandlung Schlimmeres verhindern kann. Wie oft das der Fall ist, lässt sich nicht genau sagen. 

  • Grob vereinfacht, kann eine frühe Behandlung bei etwa 3 bis 5 von 10 Betroffenen verhindern, dass Schäden an der Netzhaut spürbar fortschreiten und die Sehfähigkeit weiter einschränken. 

  • Andererseits kann eine Augen-Behandlung bei einem kleinen Teil der Betroffenen zu Sehverschlechterungen führen. 

  • Etwa 5 bis 6 von 10 Betroffenen haben vermutlich keinen Vorteil und keinen Nachteil von der regelmäßigen Kontrolle.  

Bei ihren Empfehlungen zu den Zeitabständen der Kontrolluntersuchungen stützen sich die Experten der Leitlinie vor allem auf ihre klinische Erfahrung. Es gibt zwei Analysen mehrerer Beobachtungsstudien. Diese legen nahe, dass Kontrollen alle zwei Jahre für die meisten Menschen mit Diabetes nicht ungünstiger sind, als jährliche. Allerdings haben die Studien einige Mängel, so dass die Ergebnisse nicht hundertprozentig sicher sind. Die Experten empfehlen Kontrollen alle zwei Jahre deshalb nur bei geringem Risiko.

Was untersucht der Augenarzt oder die Augenärztin? 

Jede Untersuchung beginnt mit einer Befragung (Anamnese). Liegt bei dieser Befragung der hausärztliche/diabetologische Untersuchungsbogen vor, hat der Augenarzt oder die Augenärztin schon viele wichtige Informationen.

Teilen Sie Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt bei der ersten augenärztlichen Untersuchung außerdem mit:
  • ob außer dem Diabetes noch andere Erkrankungen vorliegen;

  • welche Medikamente Sie außerdem einnehmen – dazu gehören auch solche, die Sie selbst kaufen, oder Nahrungsergänzungsmittel;

  • ob Ihnen Unverträglichkeiten oder Allergien bekannt sind;

  • ob bereits Sehstörungen aufgetreten sind, und wenn ja: welche;

  • ob das Farbsehen beeinträchtigt ist;

  • was Ihnen im Umgang mit der Erkrankung Angst macht oder Sorgen bereitet.

Um beurteilen zu können, ob bei Ihnen bereits Schäden an der Netzhaut vorliegen, soll die Augenärztin oder der Augenarzt nach Meinung der Experten außerdem folgende Untersuchungen an beiden Augen durchführen:
  • Bestimmung der Sehschärfe; 

  • Untersuchung der vorderen Augenabschnitte; 

  • Untersuchung der Netzhaut bei erweiterter Pupille.

Untersuchung der Sehschärfe 

Die Augenärztin oder der Augenarzt überprüft die Sehschärfe mit standardisierten Lesetafeln, die der Patient oder die Patientin aus einer festgelegten Entfernung laut vorliest. 

Untersuchung des vorderen Auges 

Mit Hilfe einer Spaltlampe untersucht die Augenärztin oder der Augenarzt den vorderen Augenabschnitt auf Vorliegen von diabetischen Veränderungen. 

Untersuchung der Netzhaut 

Bei dieser Untersuchung wird die Pupille mit Tropfen erweitert und anschließend die gesamte Netzhaut mit ihren Blutgefäßen untersucht. So kann der Augenarzt oder die Augenärztin Veränderungen der Netzhaut und des Glaskörpers erkennen. Wegen der erweiterten Pupille können Sie nach der Untersuchung für einige Stunden schlechter sehen und sind lichtempfindlicher. Sie dürfen deshalb nach der Untersuchung für etwa zwei bis vier Stunden nicht Auto fahren. Darüber soll die Ärztin oder der Arzt Sie schon bei der Überweisung zur Augenuntersuchung informieren.

Wenn bereits Schäden an der Netzhaut festgestellt wurden 

  • Bei fortgeschrittenen Schäden an der Netzhaut soll Ihre Augenärztin oder Ihr Augenarzt den Augeninnendruck messen. Ist der erhöht, kann das ein Hinweis auf wuchernde Blutgefäße an besonderen Stellen sein, die man auch mit Hilfe der Spaltlampe nicht sehen kann. 

  • Mit der sogenannten "Fluoreszenzangiografie" kann die Augenärztin oder der Augenarzt die Durchblutung des Augenhintergrundes beurteilen. Dabei wird ein Farbstoff in die Vene gespritzt. Solange der Farbstoff durch die Gefäße im Augenhintergrund fließt, wird das Auge mit einer speziellen Kamera fotografiert. Veränderungen der Blutgefäße und aufgequollenes Gewebe sind mit dieser Methode besonders gut zu erkennen. Die Untersuchung soll nicht bei allen Patienten durchgeführt werden. Sie kann aber hilfreich sein, um Schäden an der Makula festzustellen, die besonders behandelt werden müssen. 

  • Eine sogenannte "optische Kohärenztomographie (OCT)" soll Ihre Augenärztin oder Ihr Augenarzt durchführen, wenn die Makula geschädigt ist und eine Behandlung mit Medikamenten erwogen wird. Dabei wird ungefährliches Laserlicht auf die Netzhaut gerichtet. Das Untersuchungsgerät berechnet daraus ein Bild der verschiedenen Netzhautschichten. So lässt sich zum Beispiel die Einlagerung von Gewebeflüssigkeit in der Makula beurteilen. Die Untersuchung soll auch eingesetzt werden, um den Verlauf einer Behandlung mit Medikamenten im Auge zu kontrollieren. Sie kann außerdem zum Einsatz kommen, um herauszufinden, ob die Schäden an der Makula auf Diabetes zurückzuführen und deshalb für die empfohlenen Behandlungen geeignet sind.

Hinweis

Die optische Kohärenztomographie (OCT) ist nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen enthalten. Erkundigen Sie sich bei Ihrer Krankenkasse, ob sie die Kosten dennoch erstattet. Worauf Sie außerdem achten sollten, wenn Sie eine Selbstzahler-Leistung in Anspruch nehmen, erfahren Sie unter www.igel-check.de.

Warum empfehlen die Experten eine Selbstzahler-Leistung? 

Mit der OCT lässt sich die Netzhaut sehr genau darstellen. So kann Ihre Augenärztin oder Ihr Augenarzt eine Ansammlung von Flüssigkeit in der Makula (Ödem) besser erkennen, als mit anderen Methoden – das zeigt eine Analyse aller vorhandenen Studien. Dies kann von Vorteil sein, wenn es darum geht festzulegen, welche Behandlung geeignet ist. Wenn geplant ist, dieses Ödem mit Medikamenten zu behandeln (siehe "Behandlung mit Medikamenten"), empfehlen die Experten diese Untersuchung zur genauen Überprüfung und zur Verlaufskontrolle. Denn in allen Studien, die diese Medikamente getestet haben, wurde sie eingesetzt, um den Erfolg der Behandlung zu beurteilen – und um bei ausbleibendem Erfolg die Behandlung rechtzeitig abzubrechen. 

Die Experten empfehlen die Untersuchung für diese besondere Fragestellung. Sie ist aber nicht angezeigt, wenn Augenarzt oder Augenärztin an der Makula keine Auffälligkeit gefunden haben. 

2. Auflage, 2016. Version 2

Mehr zum Thema

Für diese Information haben wir die Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL) Prävention und Therapie von Netzhautkomplikationen bei Diabetes genutzt. Diese ist für Ärztinnen, Ärzte und andere medizinische Fachleute gedacht.

Hier finden Sie das methodische Vorgehen beschrieben.

Spezielle Angebote für Menschen mit Diabetes-bedingten Schäden an der Netzhaut finden Sie unter den folgenden Adressen:

Selbsthilfe zu Diabetes allgemein

Deutscher Diabetiker Bund e. V.
E-Mail: info@diabetikerbund.de
Internet: www.diabetikerbund.de

Bundesverband Insulinpumpenträger e. V.
E-Mail: info@insulinpumpentraeger.de
Internet: www.insulinpumpentraeger.de

Insuliner
E-Mail: insuliner@t-online.de
Internet: www.insuliner.de

Selbsthilfe bei Sehbehinderung oder Erblindung

Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e. V.
E-Mail: info@dbsv.org
Internet: www.dbsv.org

Bund zur Förderung Sehbehinderter / Landesverband Berlin-Brandenburg e. V. (BFS)
E-Mail: info@bfs-ev.de
Internet: www.bfs-ev.de

Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V. (DVBS)
E-Mail: info@dvbs-online.de
Internet: www.dvbs-online.de

Allgemeine Blinden- und Sehbehindertenverein Berlin gegr. 1874 e. V. (ABSV)
E-Mail: info@absv.de
Internet: www.absv.de

Bundesvereinigung Eltern blinder und sehbehinderter Kinder e. V.
E-Mail: info@bebsk.de
Internet: www.bebsk.de

PRO RETINA Deutschland e. V.
E-Mail: info@pro-retina.de
Internet: www.pro-retina.de

Wo sich eine Selbsthilfegruppe in Ihrer Nähe befindet können Sie auch bei der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (NAKOS) erfragen:

Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (NAKOS)
Wilmersdorfer Straße 39
10627 Berlin
Telefon: 030 31018960
Fax: 030 31018970
E-Mail: selbsthilfe@nakos.de
Internet: www.nakos.de

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